Tele Zureich vom 11.12.2020
Zurzeit ist im Schweizer Parlament ein Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung, der die Eigentumsrechte der Hausbesitzer*innen schweizweit weiter stärken soll.
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https://www.barrikade.info/article/4082
Auch neue Gesetze sind zum brechen da
Zurzeit ist im Schweizer Parlament ein Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung, der die Eigentumsrechte der Hausbesitzer*innen schweizweit weiter stärken soll. Dieser Text versucht die Gesetzesänderung möglichst einfach zu erklären.
2015 hat ein Politiker der FDP namens Olivier Feller eine Motion gestartet. Feller ist ein Politiker, dessen Liebesgeschichten mit der Immobilienlobby sich in seiner tagtäglichen politischen Arbeit äussert. So wühlt er als Nationalrat sehr gerne Mietrechte auf und legt ab und zu mal ein gutes Wort ein für den Westschweizer Hauseigentümerverband, mit dem er als Generalsekretär und als Direktor der waadtländischen Sektion, sagen wir mal, glücklich liiert ist.
Feller hat 2015 diese Motion lanciert. In der Motion ging es konkret um Hausbesetzungen. Denn Feller sind solche profitlosen Aneignungen natürlich ein Dorn im Auge. Er wollte mit der Motion die Hauseigentümer*innen besser schützen. Hauseigentümer*innen sollten einfacher und schneller gegen Besetzungen vorgehen können. In der Zwischenzeit wurde die Motion 2017 vom Schweizer Parlament angenommen und der Bundesrat wurde somit beauftragt, die
Motion von Feller in einen konkreten Gesetzestext umzusetzen.
Nun liegt das Gesetz vor, welches der Bundesrat ausgearbeitet hat und es enthält zwei wichtige Ebenen. Erst muss jedoch ein Punkt grundsätzlich klar sein: Die ganze Gesetzesvorlage betrifft ausschliesslich zivilrechtliche Vorgehensweisen gegen Besetzungen. Das heisst, sie behandelt nicht die Anklagepunkte, die gegen die Besetzer*innen vorliegen, wenn sie gefasst werden und dann vor Gericht stehen. Das wäre eine Frage des Strafrechts. Mensch kann sich das so vorstellen, dass das Strafrecht sich gegen die Besetzer*innen wendet, während das Zivilrecht sich für das Eigentum einsetzt. Das Schweizer Strafrecht kümmert sich nicht um den Besitzesschutz und somit führt die strafrechtliche Verfolgung von Besetzungen nicht zwingend zur Räumung einer Liegenschaft. Das heisst, alle Änderungen, die hier erklärt werden, betreffen den Schutz des Eigentums. Sie sollen es leichter machen, das Eigentum an die «rechtmässigen Besitzer*innen» zurück zu geben. Die hier erklärten Änderungen haben also nichts mit den konkreten juristischen Repressionsfolgen für Besetzer*innen zu tun. Aber sie vereinfachen
den zivilrechtlichen Weg zu einer Räumung durch die Polizei.
Zwei Gesetzesänderungen
Für diesen zivilrechtlichen Weg zu Räumungen sollen zwei Punkte an bisherigen Gesetzen geändert werden: Erstens wird die Frist, in der Hauseigentümer*innen direkt und selbstständig auf eine Besetzung reagieren dürfen etwas klarer definiert (1). Zweites wird neu ermöglicht, gegen Unbekannt zivilrechtlich vorzugehen (2). Dieser zweite Punkt ermöglicht den neuen Weg zu einer
zivilrechtlich erwirkten polizeilichen Räumung.
(1) In diesem Punkt geht es um das sogenannte Besitzkehrrecht. Was das genau alles beinhaltet, ist nicht so wichtig. Mensch kann es sich als eine Art Notwehr bei Besitzentzug vorstellen. Hauseigentümer*innen haben über das Besitzkehrrecht eine Frist, namens Selbsthilfefrist, in der sie auf gewisse Weisen gegen Besetzungen vorgehen dürfen, die nach Ablauf der Frist nicht mehr erlaubt sind. Die Länge dieser Frist ist gesetzlich mit «sofort» definiert, was von Gerichten zum Teil als nur wenige Stunden gedeutet wird. Feller wollte die Dauer auf genau 72 Stunden festlegen lassen und den Hauseigentümer*innen somit mehr Zeit geben für diese allererste Reaktion. Der Bundesrat ist der Motion in diesem Punkt nicht gefolgt, aber möchte dennoch die Schwammigkeit der Frist ein wenig klären. Der Begriff «sofort» bleibt dabei erhalten und bleibt weiterhin sehr unterschiedlich interpretierbar. Der Bundesrat hat sich darauf geeinigt, den Anfangsmoment der Frist klar zu definieren. Die Frist wird mit dem neuen
Gesetz genau dann anfangen, wenn die Besitzer*innen nachweislich Kenntnis haben von der Besetzung. Bisher konnte die Frist theoretisch auch verstreichen, wenn die Besitzer*innen von der Besetzung «ihrer» Liegenschaft keine Ahnung hatten.
(2) Der zweite Punkt kann für Besetzungen durchaus weiterreichende Folgen haben. Hier geht es um zivilrechtliches Vorgehen wegen Besitzesentzug. Der zivilrechtliche Weg zu einer Räumung sieht so aus, dass die Besitzer*in eine gerichtliche Verfügung zur Wiederherstellung des Besitzes in den Zustand vor der Besetzung erlangen kann. Die gerichtliche Verfügung erlaubt oder fordert dann von der Polizei als ausführendes Staatsorgan, dass das Eigentum bedingungslos an die «rechtmässigen» Besitzer*innen zurück geht. Mit anderen Worten: Dass es geräumt wird. Dieser zivilrechtliche Weg zur Räumung ist prinzipiell auch mit der bisherigen Gesetzeslage machbar. Allerdings hat die Gesetzeslage bei der tatsächlichen Umsetzung einer Räumung wegen zivilrechtlicher Klage und gerichtlicher Verfügung bisher einen Haken. Nämlich ist die Klage nur gegen bekannte Personen möglich. Wie im erläuternden Bericht zum Gesetz richtig bemerkt, sind Besetzer*innen aber meist anonym unterwegs. Bisher hat dieser Punkt den zivilrechtlichen Weg zu einer Räumung so sehr erschwert, dass er kaum begehbar war. Mit dem Gesetzesentwurf, der zurzeit diskutiert wird, soll dieser Haken beseitigt werden und der zivilrechtliche Verfahrensweg neu auch gegen Unbekannt möglich sein. Die Identität der Besetzer*innen muss dann nicht mehr bekannt sein, um eine Räumung zivilrechtlich zu erwirken. Dadurch erhalten Hauseigentümer*innen ein zusätzliches Instrument für Räumungen,
das von den kantonal/regionalen Umgangsarten mit Besetzungen unabhängig ist.
In Zürich beispielsweise braucht es – wenn das offizielle Merkblatt der Stadtpolizei Zürich ernstgenommen wird – eine (Neu-)nutzung der Liegenschaft, ein Bauprojekt mit Baubewilligung und Baufreigabe oder aber Sicherheitsbedenken/Denkmalschutz, um eine Räumung zu erwirken. Die hier erläuterte Gesetzesänderung muss an diesem Zürcher Merkblatt nicht zwingend etwas ändern. Allerdings kommt mit der Änderung der zivilrechtliche Weg zur Räumung über die gerichtliche Verfügung als neuer Grund für eine Räumung hinzu. Im Gegensatz zum Merkblatt, das an die spezifische Situation einer Liegenschaft geknüpft ist, ist der zivilrechtliche Weg vom spezifischen Gebäude unabhängig. Das heisst, der Weg ist schweizweit bei jeder Liegenschaft anwendbar, und kann somit in jedem Fall zu einer Räumung führen.
Die Verfasser*innen dieses Textes hoffen, dass die Informationen zu diesem Gesetz in all jene Welten getragen werden, die von solchen Verschärfungen des Eigentumsschutzes bedroht sind. Eigentum muss nicht besser geschützt werden! Für mehr Freiräume, für mehr Autonomie und gegen Eigentum!
Diese Gesetzesänderung ist zurzeit in Vernehmlassung im Schweizer Parlament. Die Vernehmlassung, in der eine Gruppe von Politiker*innen sich mit dem Gesetzesvorschlag im Detail auseinandersetzt, dauert noch bis am 23.12.20. Im Fall, dass das Gesetz nach der Vernehmlassung vom Parlament tatsächlich angenommen wird, wird es wohl frühestens in eineinhalb Jahren in Kraft treten. Aber wenn es dann in Kraft tritt, könnte es weitreichende Folgen haben.